In der tiergestützten Intervention (TGI) leisten Tiere Erstaunliches. Sie schenken Nähe, öffnen Herzen, beruhigen, bringen Menschen in Bewegung oder zaubern ein Lächeln dorthin, wo lange keines mehr war. Doch was passiert, wenn unsere tierischen Partner selbst an ihre Grenzen kommen – oder darüber hinaus? Können Tiere, die uns bei der Heilung helfen, selbst krank werden? Die Antwort ist: Ja.
Tiere als Co-Therapeuten – eine große Aufgabe
Hunde, Pferde, Alpakas, Esel, Katzen oder Kleintiere werden in pädagogischen, therapeutischen und pflegerischen Settings eingesetzt, um Prozesse zu unterstützen. Sie begegnen Menschen mit psychischen Erkrankungen, Behinderungen, Traumata, Schmerz oder Einsamkeit. Diese Arbeit ist tiefgreifend – und emotional fordernd, auch für das Tier.
Was dabei oft übersehen wird: Tiere nehmen Stimmungen auf, reagieren auf Körpersprache, spüren Spannungen. Und sie kompensieren. Lange – manchmal zu lange.
Was ist Burn-out bei Tieren?
Burn-out beim Tier ist kein offizielles veterinärmedizinisches Krankheitsbild, aber ein ernstzunehmendes Phänomen. Es beschreibt einen Zustand chronischer Überforderung und Erschöpfung, häufig durch ein Zuviel an emotionalem und sozialem Input ohne ausreichende Erholungsphasen.
Typische Anzeichen für Burn-out beim Tier:
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Rückzug, Verweigerung von Kontakt
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verminderte Spielfreude und Motivation
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Reizbarkeit oder Aggressivität
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Schlafstörungen, Unruhe, körperliche Verspannung
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Verändertes Fressverhalten
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häufige Krankheiten oder Infektanfälligkeit
Diese Symptome entwickeln sich meist schleichend – und werden anfangs oft mit „Alterserscheinung“, „Launen“ oder Trainingsproblemen verwechselt.
Tierische Depression – wenn Lebensfreude schwindet
Neben Burn-out kann auch eine depressive Verstimmung bei Tieren auftreten, vor allem bei hochsensiblen, menschenbezogenen oder traumatisierten Individuen. Besonders Tiere, die keine Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen oder deren Bedürfnisse dauerhaft übergangen werden, zeigen depressive Verhaltensweisen:
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Teilnahmslosigkeit, Apathie
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Lustlosigkeit gegenüber früher geliebten Aktivitäten
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kaum Reaktion auf Reize oder Bezugspersonen
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Körperverfall: stumpfes Fell, Haltungsveränderungen
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"Leerer Blick" oder Ausdruck von Trauer
Solche Zustände sind ernstzunehmen – sie können sich verfestigen und das Tier nachhaltig schädigen. Wichtig: Nicht jedes ruhige Tier ist depressiv, aber ein verändertes Verhalten verdient immer Aufmerksamkeit.
Ursachen: Zwischen Verantwortung und Überforderung
Oft sind die Ursachen für Burn-out oder Depression struktureller Natur:
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Zu häufige oder zu lange Einsätze ohne ausreichende Pausen
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Unklare Rollen: Wird das Tier als „Tool“ statt als fühlender Partner gesehen?
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Keine Rückzugsmöglichkeiten während Einsätzen
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Fehlende Supervision oder Beobachtung von Seiten der Fachkraft
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Fehlende artgerechte Auslastung außerhalb der TGI
Auch emotionale Übertragung spielt eine Rolle: Tiere übernehmen unbewusst die Spannungen und Belastungen ihrer menschlichen Gegenüber. Ohne Möglichkeit zur Verarbeitung kann das krank machen.
Was braucht ein Tier in der TGI, um gesund zu bleiben?
Die tiergestützte Arbeit lebt vom feinen Miteinander. Damit sie gesund bleibt – für Mensch und Tier – braucht es klare Prinzipien:
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Tierschutz ist nicht verhandelbar. Artgerechte Haltung, Ernährung, Pflege, Gesundheitsvorsorge.
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Klare Einsatzzeiten. Kein Tier sollte täglich oder stundenlang im Einsatz sein.
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Pausen und Rückzugsorte. Tiere brauchen echte Ruhe – ohne Menschen, Reize oder Aufgaben.
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Das Recht auf Nein. Jedes Tier darf zeigen, wenn es heute nicht mitarbeiten möchte. Und das wird respektiert.
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Regelmäßige tierärztliche und verhaltensbiologische Begleitung.
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Supervision – auch für die Fachkraft. Damit eigene Belastungen nicht unbewusst aufs Tier übertragen werden.
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Freude, Spiel, Lebensqualität. Ein Tier, das nur „arbeitet“, verliert an Lebendigkeit.
Fachlich begleiten – mit Herz und Respekt
Tiergestützte Intervention kann ein Wunder sein. Aber nur dann, wenn wir sie verantwortungsvoll gestalten – und das Tier als gleichwertigen Partner sehen, nicht als „Mittel zum Zweck“. Wer mit Tieren arbeitet, trägt Verantwortung – nicht nur für das Gelingen der Intervention, sondern für das Wohl eines fühlenden, oft still leidenden Lebewesens.
Ein Tier, das helfen soll, muss selbst heil bleiben dürfen