Selbstregulation von Tieren – Fundament für echte Begegnung in der tiergestützten Intervention

Tiergestützte Intervention lebt von Beziehung. Von Begegnung auf Augenhöhe, gegenseitiger Resonanz und freiwilliger Verbindung.
Doch eine Frage stellt sich viel zu selten explizit: In welchem inneren Zustand befindet sich das Tier eigentlich, während es mit Menschen arbeitet?

Ein Tier kann nur dann tragfähige, authentische Beziehungen eingehen, wenn es sich selbst regulieren kann – also fähig ist, mit inneren Spannungszuständen, emotionaler Aktivierung und Umweltreizen stabil umzugehen. Selbstregulation ist dabei keine Selbstverständlichkeit – sie ist erlernt, trainierbar und abhängig vom Setting, der Beziehung und der Haltung des Menschen.


Warum Selbstregulation in der TGI zentral ist

In der Arbeit mit neurodivergenten oder traumatisierten Menschen braucht es sichere, zuverlässige Beziehungspartner – auf zwei Beinen genauso wie auf vier.
Das Tier übernimmt in der TGI oft eine Co-regulative Rolle: Es wirkt beruhigend, erdend, motivierend, spiegelnd. Diese Funktion kann es aber nur dann einnehmen, wenn es selbst in einem regulierten Zustand ist.

Ein Hund, der gestresst ist, permanent unter- oder überfordert wird, oder sich nicht aus einer Situation zurückziehen darf, kann weder regulieren noch wirksam in Beziehung treten – er ist dann selbst in einem Überlebensmodus.


Was ist Selbstregulation überhaupt?

Selbstregulation bezeichnet die Fähigkeit, innere Zustände wie Erregung, Stress oder Aktivierungsniveaus selbstständig zu beeinflussen, also etwa:

  • sich nach Aufregung selbst zu beruhigen

  • aus einer reizüberfluteten Situation in die Selbstwirksamkeit zu kommen

  • bei Unsicherheit Strategien zur Stabilisierung zu nutzen

  • sich zu orientieren, statt zu erstarren oder zu flüchten

Selbstregulation zeigt sich z. B. im Hund durch gezielte Abwendung, Körperarbeit (z. B. sich schütteln), kontrolliertes Schnüffeln, bewusstes Einnehmen eines sicheren Ortes (z. B. Matte), oder durch Blickkontakt mit der Bezugsperson.


Selbstregulierte Tiere wirken anders

Ein Tier, das in seiner Mitte ist, hat:

  • eine hohe Reizverarbeitungskapazität

  • ist ansprechbar, explorativ und sozial orientiert

  • sendet klare, lesbare Signale

  • ist offen für Beziehungsangebote, aber nicht abhängig davon

  • kann Nähe und Distanz eigenständig regulieren

Diese Zustände sind entscheidend, wenn das Tier in der TGI mit Menschen arbeitet, die selbst Schwierigkeiten in der emotionalen Regulation, im Körperempfinden oder in der sozialen Interaktion haben.
Das Tier wird dann nicht zum „Therapeut“, sondern zum Mitspieler in einem fein abgestimmten Resonanzraum – ein Raum, der aber nur entsteht, wenn Sicherheit auf beiden Seiten vorhanden ist.


Was Tiere dafür brauchen

Damit Selbstregulation entstehen und erhalten werden kann, braucht das Tier:

  • Kontinuität, Vorhersagbarkeit und Beziehungssicherheit

  • Rückzugsmöglichkeiten und Wahlfreiheit in der Intervention

  • Training, das Regulation integriert, nicht überfordert

  • einen Menschen, der selbst reguliert ist – denn Co-Regulation ist keine Einbahnstraße

  • Bindung, statt Bindungserwartung – also Beziehungsarbeit ohne Funktionalisierung


Die Rolle der Fachkraft

Fachkräfte in der TGI haben die Verantwortung, nicht nur das Verhalten des Tieres im Blick zu haben, sondern den inneren Zustand, aus dem dieses Verhalten entsteht.
Ein scheinbar kooperatives Tier kann trotzdem innerlich in einem Spannungszustand sein.
Daher braucht es:

  • Kenntnisse über Körpersprache und Erregungssignale

  • Raum für Rückzug und selbstgewählte Pausen

  • die Bereitschaft, Interventionen auch mal abzubrechen

  • und die klare Haltung: Das Tier arbeitet nicht für uns – es ist mit uns.


Fazit

Selbstregulation ist nicht „Ruhe“. Sie ist nicht „brav sein“. Sie ist die Fähigkeit, im Inneren flexibel zu bleiben, auch wenn es im Außen unruhig wird.
In der tiergestützten Intervention ist sie das Fundament – für gelingende Beziehung, für Wirkung und nicht zuletzt für Tierwohl auf professioneller Ebene.